Ohne die Wärmewende kann die Energiewende nicht gelingen. Im Rahmen der Energiewende hat sich Deutschland zum Ziel gesetzt, bis 2045 Treibhausgasneutralität zu erreichen. Für dieses Ziel muss Energie vermehrt aus erneuerbaren Ressourcen gewonnen werden. Doch obwohl der Energiekonsum für die Wärmeversorgung den Stromverbrauch weit übersteigt, erhält der Wärmesektor kaum öffentliche Aufmerksamkeit. Um die engagierten Klimaschutzziele zu erreichen und die Wärmeversorgung für alle bezahlbar zu halten, gibt es bei der Wärmewende noch viel zu tun.
Wärmewende: Herausforderung und Chance zugleich
Umstellung der Wärmeversorgung: Ohne Wärmewende gelingt keine Energiewende
Die Energiewende ist ein Generationenprojekt Deutschlands zur Umstellung der Energieerzeugung und -nutzung von fossilen auf erneuerbare Energien. Dass die Transformation langfristig angelegt ist, macht der strategische Zielhorizont deutlich:
Ab 2050 strebt Deutschland negative Emissionen an.1
Noch im Jahr 2018 gab es das Ziel, dass spätestens im Jahr 2025 der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch mindestens 40% ausmachen soll. Diese Zielmarke wurde bereits 2020 übertroffen. Deutschland ist auf dem richtigen Weg zur Energieeffizienz, jedoch gibt es noch viel zu tun.
Die Wärmewende muss den größten Beitrag leisten
Die folgende Grafik verdeutlicht es: Der Stromverbrauch macht nur gut ein Fünftel des gesamten deutschen Energieverbrauchs aus. Die Bereitstellung von Wärme und Kälte im Gebäudesektor sowie die Mobilität tragen deutlich mehr zum Energieverbrauch und CO2-Ausstoß bei.
Deswegen kann die Energiewende erst gelingen, wenn alle Sektoren proportional zu ihrer Bedeutung an der Umstellung mitwirken. Dabei verfolgt die Energiewende immer zwei Ansatzpunkte. Es geht nicht nur um die Umstellung der Energiegewinnung auf erneuerbare Ressourcen, sondern auch um ein bewussteres Nutzungsverhalten.
In unserem Beitrag zur Energiewende in Deutschland können Sie im Detail nachlesen, mit welchen Maßnahmen die Bundesregierung den Wandel in den Sektoren Verkehr und Stromerzeugung vorantreibt. Bei der Wärmewende gehört neben der Umstellung auf wirkungsvollere Heiztechniken die Senkung des Wärmebedarfs durch Sanierung von Gebäuden hinzu dazu.
Die Wärmewende ist weit mehr als Klimaschutz
Genau wie bei der Energiewende geht es bei der Wärmewende nicht allein um die Einhaltung von Emissionszielen. Es geht um die Gewährleistung einer zuverlässigen und bezahlbaren Wärmeversorgung für Industrie und Bevölkerung. Das Vorhaben hat eine starke soziale Komponente: Über 84% des Energieverbrauchs der Privathaushalte fällt auf Raumwärme und Warmwasser.
Das macht deutlich, welche Folgen bei Preissteigerungen durch die Wärmewende drohen. Denn die Abhängigkeit vom Import fossiler Energieträger und die endlichen Vorräte machen die Preisentwicklung immer unkalkulierbarer. Wer schon einmal wegen eines Heizungsschadens eine Winternacht in der unbeheizten Wohnung verbracht hat und am nächsten Morgen obendrein noch kalt duschen musste, kann erahnen, wie sich ein Engpass bei der Wärmeversorgung auswirken würde.
Die deutsche Wärmeversorgung: Eine Bestandsaufnahme
Die Versorgung mit Wärme ist grundlegend anders strukturiert als die Stromversorgung. Das liegt schon allein an den technischen Möglichkeiten: Im Gegensatz zu Strom lässt sich Wärme ökonomisch und ökologisch kaum sinnvoll über längere Strecken transportieren und erfordert ein gut durchdachtes Wärmenetz.
Dafür sind die Technologien für die vorübergehende Speicherung von Wärmeenergie deutlich weiter fortgeschritten. Die Wärmeerzeugung muss also noch dezentraler und vor allem näher am Verbrauchsort angesiedelt sein als die Stromproduktion. Trassen für den Energietransport von der Küste bis in den Süden wie beim Strom wird es daher bei der Wärme nicht geben.
Anders als bei der Stromerzeugung ist traditionell meist jedes Gebäude selbst für die Wärmeerzeugung zuständig. Rund 20 Millionen Wärmeerzeuger stehen hierzulande in Heizungskellern oder Hauswirtschaftsräumen. Eine Ausnahme bildet die vergleichsweise geringe Zahl an Gebäuden, die ihre Wärme aus Nah- und Fernwärmenetzen beziehen. Der Ausbau dieser Versorgungssysteme und Wärmenetze ist eine wichtige Voraussetzung für die Wärmewende. Sie ermöglichen nämlich den Aufbau größerer Anlagen für die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), Solarthermie und die intensivere Nutzung von Abwärme aus der Industrie.
Der Entwicklungsstand bei der Wärmeversorgung
Die Versorgung von Gebäuden mit Raumwärme und Warmwasser verursacht mehr als ein Drittel des gesamten deutschen Energieverbrauchs. Erfasst sind dabei neben Wohnimmobilien noch öffentliche Gebäude und Industriebauten.
Die besondere Bedeutung der Wärmeversorgung speziell von Wohnimmobilien macht diese Rechnung deutlich.
Bedeutung der Wärmeversorgung von Privathaushalten
Mehr als 84% des Energieverbrauchs der Privathaushalte gehen auf das Konto der Versorgung mit Raumwärme und Warmwasser.
Gleichzeitig haben die Haushalte einen Anteil von 30% am deutschen Energiebedarf.
Das bedeutet nicht nur Verantwortung, sondern birgt auch finanzielle Anreize: Als Eigentümer einer Wohnung oder eines Hauses und selbst als Mieter können Sie durch Ihre private Wärmewende erhebliche Einsparungen erzielen.
Denn fast 60% der Heizungen sind seit mindestens 15 Jahren in Betrieb und gehen auf das Ende ihrer Lebensdauer zu.
Gerade hier sind durch den Einbau einer neuen Heizung Effizienzsteigerungen im zweistelligen Prozentbereich möglich.
Dies gilt natürlich auch für den Fall, dass Sie weiterhin auf einen fossilen Energieträger – vorzugsweise Gas – setzen.
Ähnliches Potenzial besteht beim energetischen Stand der Gebäude: Ein bedeutender Anteil des Gebäudebestandes stammt aus der Periode von 1949 bis Ende 1978, wurde also vor Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung errichtet. Die hohen Verluste solcher Gebäude sorgen dafür, dass ihr Wärmebedarf ein Vielfaches über dem von Gebäuden mit aktuellem energetischen Stand liegt:
Baujahr | Jährlicher Endenergieverbrauch pro Quadratmeter [kWh/m²a] |
---|---|
1949-1978 | 208 |
2010-2011 | 50 |
Mittelwert des gesamten Bestandes | 169 |
Es ist zwar kaum wirtschaftlich möglich, Altbauten so zu optimieren, dass sie so wenig Energie verbrauchen wie Niedrigenergie- oder Passivhäuser. Allerdings sind die Potenziale doch beachtlich, wie der hohe mittlere Energieverbrauch des Gebäudebestandes zeigt. Im Interview hat Förderexperte Martin Kutschka zum Beispiel erzählt, wie er durch energetische Sanierung den Energiebedarf seines Altbaus um zwei Drittel reduzieren konnte.
Wie steht es derzeit um die Wärmewende?
Die Qualität der Heizungs- und Gebäudebestände bietet zahlreiche Ansatzpunkte für die Effizienzsteigerung bei der Wärmeerzeugung und die Verringerung des Wärmebedarfs. Dennoch mangelt es den Eigentümern an der Entschlussfreudigkeit: Die jährliche Sanierungsrate bei der Gebäudehülle liegt bei gerade einmal 1%, während die Erneuerung des Heizungsbestandes pro Jahr 3% ausmacht. Beides sind extrem geringe Zahlen.
Der Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung sieht allerdings ein deutlich gesteigertes Sanierungstempo bei Heizanlagen und Gebäudehüllen vor, um die Wärmewende voranzutreiben:
Die kommunale Wärmeplanung als wichtiges Tool zur Wärmewende
Jede Kommune in Deutschland entwickelt eine eigene Strategie zur klimaneutralen Wärmeversorgung. Die Planung erfolgt in mehreren Schritten:
Ermittlung des aktuellen Energiebedarfs sowie der Einsparpotentiale in den Bereichen Raumwärme, Warmwasser und Prozesswärme in den verschiedenen Sektoren Privat, Gewerbe und Dienstleistung. Zudem werden die verfügbaren Ressourcen für erneuerbare Energien ermittelt.
Entwicklung verschiedener Szenarien und Ziele, in denen der Wärmebedarf durch erneuerbare Energien abgedeckt wird
Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung
Die kommunale Wärmeplanung hat die Aufgabe, dass Deutschland die gesetzten Klimaziele erreicht. Da jede Kommune eine unterschiedliche Ausgangslage hat, ist die individuelle, kommunale Wärmeplanung so wichtig wie nie.
Möglichkeiten für die Wärmewende in Ihrem Haushalt
Auch mit kleinen Maßnahmen können Sie in Ihrem Haushalt einen Beitrag zur Wärmewende leisten. Davon profitieren nicht zuletzt Sie selbst, denn die meisten Maßnahmen senken Ihre Kosten. Dabei können Sie die Wärmeerzeugung durch eine moderne Heizung verlustfreier gestalten oder durch Dämmmaßnahmen und die Anpassung Ihres Nutzungsverhaltens den gesamten Wärmebedarf senken.
Wärmewende-Tipp 1: Setzen Sie auf erneuerbare Energien
Aktuell heizen immer noch mehr als 70% der Deutschen mit den fossilen Energieträgern Erdgas und Erdöl.2
Für das Klima ist das schlecht. Moderne Brennwertheizungen haben in einigen Fällen zwar nach wie vor ihre Daseinsberechtigung, jedoch nehmen diese Fälle dank des rasanten technischen Fortschritts stetig ab. Prüfen Sie im Hinblick auf die Wärmewende deswegen auch den Einsatz regenerativer Energieträger. Eine Wärmepumpe führt zum Beispiel zu einem viel umweltfreundlicheren Heizen, verringert Ihre Abhängigkeit von schwankenden Preisen fossiler Rohstoffe und spart auf lange Sicht sogar jede Menge Geld. Bei einem Neubau sind Sie verpflichtet, einen Mindestanteil Ihres Wärmebedarfs aus regenerativen Energien zu decken. Hier hat die Wärmepumpe den Markt auch schon für sich erobert.
Wärmewende-Tipp 2: Reduzieren Sie den Wärmebedarf
Sie bewohnen ein Haus mit zeitgemäßer und effizienter Heiztechnik, haben aber trotzdem Probleme mit hohen laufenden Kosten? Dann liegt es daran, dass die Wärmeverluste des Gebäudes größer sind, als sie sein sollten. Den Grund dafür sollten Sie nicht nur in der mangelhaften Dämmung des Gebäudes suchen, sondern auch im eigenen Nutzungsverhalten.
Wärmeverluste verringern – Tipps für Mieter und Eigentümer:
Schalten Sie Ihre Heizung erst ein, wenn die Raumtemperatur Ihr Wohlfühlniveau über mehrere Tage hinweg unterschreitet.
Statt das Fenster zum Lüften zu kippen, sollten Sie im Winter die Stoßlüftung anwenden, um unnötige Wärmeverluste zu vermeiden.
Programmierbare Heizkörperthermostate gleichen die Wärmezufuhr im Tagesverlauf optimal an Ihr Nutzungsprofil an.
Zu den finanziell überschaubaren und dennoch wirkungsvollen Maßnahmen gehört die Dämmung der Keller- und obersten Geschossdecke.
Auch durch unbeheizte Räume verlaufende Heizungsrohre können Sie mit einer isolierenden Hülle versehen lassen. Erst wenn Sie diese Potenziale für Ihren persönlichen Beitrag zur Wärmewende genutzt haben, sollten Sie die Umsetzung kostenintensiver Dämmmaßnahmen an der Fassade oder den Austausch der Fenster und Türen in Angriff nehmen.
Die Beteiligung an der Wärmewende lohnt sich
Die Bundesregierung muss das Sanierungstempo forcieren, damit die Wärmewende ihren notwendigen Beitrag zur Energiewende leisten kann. Dabei kommt es natürlich auf das Engagement der Privatleute im Hinblick auf den Wärmesektor an. Obwohl es nicht gleich eine neue Heizung oder eine Fassadendämmung sein muss, versprechen diese Schritte die größte Verbesserung für die Energieeffizienz von Bestandsgebäuden.
Als Entscheidungshilfe für zweifelnde Eigentümer gibt es attraktive BEG-Förderungen. Optimierungen am Heizsystem und ein Austausch der bestehenden Heizung werden ebenso bezuschusst wie Energieberatungen und Dämmmaßnahmen.
1 Bundesregierung.de: Klimaschutzgesetz 2021. Generationenvertrag für das Klima
2 BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.: Wärmewende